Psychosynthese:  Weitergehende Ausführungen:  Krisenbewältigung

Krisen gehen häufig mit einem Gefühl von Ohnmacht und Verzweiflung einher. Wir finden uns mit einer Situation konfrontiert, die wir so nie erwartet hätten. Manches, was uns getragen hat, was uns Selbstwert und Lebenssinn gegeben hat, bricht weg oder droht wegzubrechen. Unsere sonst bewährten Bewältigungskonzepte versagen. Das gilt für Krisen, die von außen über uns hereinbrechen, wie z.B. Kündigungen, Krankheiten, Unfälle, Todesfälle, wie auch für Krisen, an deren Entstehen wir selbst beteiligt sind, wie z.B. Beziehungskrisen.

 

Wir können uns der Verzweiflung hingeben, resignieren und können unsere Wunden lecken. Wir können versuchen, Trost zu finden oder/und etwas, was uns trägt. Wir können aber auch schauen, ob vielleicht Sinn darin liegen könnte, dass uns genau dies widerfahren ist. Das ist zugegebener maßen in einer akuten Krisensituation schwierig. Auch die Tiefe der Krise und die Größe des Leidens erschweren den Blick dafür, dass uns das Leben gerade hierhin geführt haben könnte, um uns etwas mitzuteilen.

 

Doch gerade die Ohnmacht, die aus dem Versagen altbewährter Bewältigungsstrategien erwächst, kann ermöglichen, dass wir offen und aufnahmefähig sind für das, was unser Innerstes uns offenbaren will. Wenn wir kapitulieren, uns von unseren alten Verhaltens –und Denkmustern verabschiedet haben, sind wir frei, den Signalen unserer Seele zu lauschen. Das kann wie ein Innehalten sein, ein Schauen, was will jetzt von uns gelebt werden will. Was ist überholt und was will jetzt in uns Wirklichkeit werden? Ein Gefühl des Aufbruchs zu neuen Ufern, was wiederum Potentiale in uns aktiviert, die es uns ermöglichen, diese auch zu erreichen: ein zwar schmerzhafter, jedoch wichtiger Entwicklungsschritt in unserem Wachstum zum Menschwerden.

 

Das Bild eines Schmetterlings geht mir durch den Kopf: er lebt zunächst sein Leben als Raupe, er kriecht in der Welt umher und frisst sich den Bauch mit Grünzeug voll. Nichts könnte für die Raupe selbstverständlicher sein, als dieses ihr Leben. Doch irgendwann, ohne dass sie etwas dazu kann, verlangsamt sich alles für sie bis zum völligen Stillstand. Die wunderbare Art, ihr Leben zu leben, funktioniert nicht mehr. Das Leben hält für sie noch etwas bereit, was ihrem wahren Wesen entspricht. Dafür muss sie ihr altes Leben mühevoll abstreifen.

 

 

Krisen gehen häufig auch mit Konflikten einher, sowohl inneren als auch äußeren. Ist dies der Fall, liegt dem oftmals ein elementares, inneres Bedürfnis zugrunde, was auf sich aufmerksam machen will. Nehmen wir z.B. eine Beziehungskrise in einer Partnerschaft.

 

Unter den oberflächlichen Verstrickungen und Kämpfen einer Beziehungskrise liegt oft ein grundsätzliches Lebensthema: unser Bedürfnis sowohl zu Bezogenheit und Verbundenheit, als auch zur Individualisierung. Aus welchen Gründen auch immer leben wir häufig einseitig und vernachlässigen die andere Seite. Doch der vernachlässigte Anteil in uns, das ungelebte Leben, will auch gelebt werden und drängt sich in den Vordergrund, was irgendwann vielleicht zu Konflikten mit dem Partner führt. Wir können uns auf althergebrachte Weise mit dem Partner oberflächlich auseinandersetzen. Vielleicht kommen Kompromisse oder so etwas wie ein Waffenstillstand zustande. Eventuell beenden wir auch die Partnerschaft, weil es so wirklich nicht mehr weitergehen kann. In diesem Fall ist es gut möglich, dass die nächste Partnerschaft unter den gleichen Vorzeichen entsteht und endet.

 

Wir können diese Situation aber auch als Chance wahrnehmen, in uns hineinzuhorchen, welcher Anteil von uns sein Recht einfordert, gelebt zu werden .Wenn wir dafür offen sind und den Mut aufbringen, das in die Tat umzusetzen, werden wir als Mensch, der wir sind,  authentischer. Das kann durchaus eine schmerzhafte Trennung zur Folge haben. Dies hat bei einer neuen Partnerschaft jedoch den Vorteil, dass uns der neue Partner sofort so kennenlernt, wie wir wirklich sind. Es kann allerdings auch sein, dass unser momentaner Partner, erst jetzt, wo er uns richtig sehen kann, tiefere Gefühle für uns empfindet und sich unsere Partnerschaft in eine neue, tiefe Verbundenheit wandelt.

 

Um die Chance eines Konfliktes nutzen zu können ist es hilfreich, sich bewusst zu werden, was für ein tieferes Bedürfnis hinter den offensichtlichen Streitmotiven dem Konflikt zugrunde liegt. Als Nächstes gilt es, dieses Bedürfnis als zu uns gehörig anzunehmen. Das gelingt uns umso besser, je mehr wir uns unseren Ressourcen öffnen und aus ihnen schöpfen können. Gelingt uns das, haben wir z.B. Zugang zu unserem inneren, lebensbejahenden Wissen und zu unserer Fähigkeit der Selbstliebe bekommen. Stark verkürzt und vereinfacht, könnte sich dies in einem inneren Dialog so anhören: „ja, beides gehört zu mir und will gelebt werden. Ich liebe meinen Partner und will mit ihm zusammen sein und gleichzeitig will ich mich mehr zeigen. Ja, damit bin ich einverstanden, so nehme ich mich an.“ Und vielleicht spüren wir dann ja auch eine Art guter aggressiver Energie, die uns die erforderliche Kraft verleiht, aus unserem Bedürfnis heraus den Willen wachsen zu lassen, die Botschaft unserer Seele auszudrücken und umzusetzen. Gelingt uns dies, werden wir wachsen und authentischer werden.