Psychosynthese:  Weitergehende Ausführungen:  Teilpersönlichkeiten

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. (Aristoteles)

 

Einfach ausgedrückt kann man den Begriff der Teilpersönlichkeiten mit den Rollen vergleichen, welche wir in unserem Leben verkörpern. Im Laufe unseres Lebens nehmen wir meist unbewusst unendlich viele Rollen ein: Vater-und Mutterrolle, Rolle des Ehemanns oder der Ehefrau, des Kindes, des Geschäftsmannes, des Liebhabers etc. Opfer, Täter, Genießer, Macher…Künstler, Denker, Pragmatiker, Träumer…

 

Sie sind mannigfaltiger Ausdruck unseres tiefsten Wesens und jede Rolle spiegelt Facetten und Aspekte unserer ureigensten Anlagen und Bedürfnisse wider, hat ihre spezifischen Qualitäten und ihren Sinn.

 

Lässt man seine sich bewussten Rollen vor dem geistigen Auge Revue passieren, so kann man sich dem Eindruck kaum verwehren, dass es sich hier durchaus um viele einzelne Figuren handelt, die oft kaum etwas miteinander scheinen zu tun zu haben. Und doch wohnen all diesen Teilpersönlichkeiten, diesen verschiedenen Rollen ein und derselben Person inne und machen sie aus. Die Teile und das Ganze, die Vielfalt in der Ganzheit, mit dem Selbst oder der Seele als lebensbejahender und selbstregulierender Mitte.

Die Grundstruktur jeder dieser Teilpersönlichkeiten ist in jedem von uns individuell angelegt. Ihre Ausformung und unser Verständnis von ihr werden jedoch im Laufe unseres Lebens von der Außenwelt beeinflusst. So hat z.B. im Allgemeinen jede Frau die emotionale und praktische Anlage und Fähigkeit, so sie Mutter wird, diese Aufgabe, diese Rolle zu übernehmen. Es ist in den Grundzügen in ihrem Wesen verankert. Wie sie das macht, ist einerseits individuell angelegt und andererseits familiär, gesellschaftlich und kulturell  geprägt. Das Verständnis der Mutterrolle im Viktorianischen Zeitalter unterscheidet sich sicherlich von dem in den 1950er Jahren, sowie sich dieses wiederum vom heutigen Verständnis unterscheidet. Ähnlich wie bei dem Thema Persönlichkeit beschert hier das Missverhältnis  zwischen Prägung und Innerstem Wesen Turbolenzen im Leben.

 

 

Je nach Lebenssituation oder Lebensbereich erwachen unsere verschiedenen Teilpersönlichkeiten zum Leben, treten sie in den Vordergrund, manchmal einzelnen, manchmal mehrere zugleich, manchmal in Harmonie, manchmal in Konflikt miteinander. Wenn das der Fall ist, kann, - mal mehr, mal mir weniger bewusst, -mal klar und deutlich,- mal verschwommen und auf Umwegen, die genau entgegengesetzte Teilpersönlichkeit auf sich aufmerksam machen und ihr Recht einfordern. Dann stehen sie sich als Gegensätze gegenüber und scheinen nicht miteinander vereinbar zu sein. Und schon ist das Dilemma perfekt. Wir sind hin und hergerissen.

 

Eine weitere Tatsache trägt das Ihre dazu bei:

 

Wir neigen aus verschiedenen Gründen dazu, uns unbewusst mit Teilpersönlichkeiten zu identifizieren, uns über sie zu bestimmen und in ihnen aufzugehen. Das kann zur Folge haben, dass wir sie in übersteigertem  Maße ausleben und sie allein unseren Selbstwert ausmachen. Sollten sie irgendwann nicht mehr erforderlich sein, bricht alles zusammen. Sind z.B. die Kinder erwachsen geworden und aus dem Haus, kann eine Frau plötzlich ihrer Mutterrolle beraubt sein und gerät eventuell in eine Sinnkrise. Geht ein Mann in Rente, kann es sein, dass vielleicht sein Lebenssinn wegbricht, wenn er sich und seinen Selbstwert in erster Linie über die Arbeit definiert hat.

 

In einem solchen Fall kann es sinnvoll sein, das ICH-Bewusstsein zu stärken. So können wir uns die in uns wohnenden Teilpersönlichkeiten bewusst machen, uns von ihnen disidentifizieren, ihren Wert erkennen und ihnen einen sinnvollen Platz in unserem Leben zu geben.