Psychosynthese

Das grundlegende Anliegen der Psychosynthese ist das Wohlergehen  der  menschlichen Seele und ihre Entfaltung im gelebten Leben. Je mehr dies gelingt, desto lebendiger, authentischer und sinnerfüllter gestaltet sich unser Leben. Das ist die große Richtung, die Vision, in deren Dienst  die Psychosynthese sich gestellt hat. Sie begleitet den Einzelnen auf seinem Weg dorthin: in dem ihm eigenen Tempo, auf den ihm eigenen Wegen und dem ihm eigenen Ziel, denn nur jeder Einzelne selbst weiß, tief in sich drin, wohin seine Reise geht.

Auf dieser Basis fördert die Psychosynthese auch die Entfaltung der Persönlichkeit und somit die Fähigkeit, den Anforderungen des alltäglichen Lebens gewachsen zu sein. Ihre Förderung wird im Sinne des Einklangs von Seele und Persönlichkeit angestrebt, sodass  die Persönlichkeit dem Ausdruck der Seele dient. So kann ein rundes und authentisches Leben in Selbstverantwortung  entstehen. Leider werden die Bedürfnisse der Seele oft genug vernachlässigt, den Anforderungen des Lebensalltags  geopfert oder vielfach gar nicht erst wahrgenommen.

Damit hier wieder Kommunikation möglich ist, wird in der Psychosynthese ein achtsames ICH - Bewusstsein gefördert, eine Art wohlwollender Beobachter. Dieser nimmt einerseits die Innenwelt der eigenen Psyche wertefrei und annehmend wahr und kann der Stimme der Seele lauschen, andererseits greift er die lebensbejahenden Signale des Selbst auf, um sich an ihnen im Leben zu orientieren.

Um dieses achtsame Bewusstsein zu fördern und zu sensibilisieren, wird in der Psychosynthese die Aufmerksamkeit auf das gerichtet, was im Hier und Jetzt in uns  und mit uns vorgeht. Das können Gedanken sein, innere Bilder und Phantasien, Gefühle oder auch Körperreaktionen und körperlicher Ausdruck. Alles darf erst mal sein und hat seine Berechtigung. Psyche und Körper sind eine Ganzheit. An den Symptomen des Körpers, seinem Befinden, seiner Energetik und seiner Sprache lässt sich seelisches Empfinden und Wissen ablesen und erfahren. Graf Dürckheim drückt das so aus: „Vom  Körper, den ich habe- zum Leib, der ich bin“.

Die Psychosynthese begreift den Menschen in all seiner Vielfalt als eine Ganzheit mit der Seele  als regulierendem, lebensbejahendem Zentrum. Oft werden unsere vielfältigen Bedürfnisse und Anlagen, unsere verschiedenen Teilpersönlichkeiten , als nicht ins Leben integrierbare  Gegensätze empfunden, da wir häufig  bestimmte Teile unseres Wesens einseitig leben und uns damit identifizieren. 

Zugehörigkeitsbedürfnis einerseits und das Bedürfnis zu individueller Abgrenzung und Verwirklichung andererseits sind z.B. eine klassische Gegensatzdynamik, an welcher wir oft leiden, weil wir meinen, uns nur für eine Seite entscheiden zu können…  Die Psychosynthese greift  hier die in uns wohnende Sehnsucht  nach Ganzheit auf und hilft uns, diese scheinbaren Gegensätze  als ein lebendiges Ganzes zu erfahren (Psycho-Synthese). Aus einem  „entweder oder“ wird ein „Sowohl als auch“, was uns neue Lebenshorizonte ermöglicht und unser Identitäts-und Selbstwertgefühl stärkt.

Die  Psychosynthese ist ressourcen- und  wachstumsorientiert. Sie schaut weniger darauf, was nicht da ist, sondern darauf, was vorhanden ist. Dabei sieht sie auch in scheinbar für uns problematischen Anteilen nicht nur ebendiese dunkle Seite in uns, sondern immer auch die helle Seite, den lebensbejahenden Aspekt. Sie geht davon aus, dass der Mensch sich seinem innersten Wesen, seiner Seele nach, entfalten und wachsen will und dass er mit seiner Geburt auch all die Fähigkeiten und Ressourcen hierzu in sich trägt. Diese gilt es zu  entdecken, sich ihrer bewusst zu machen, sie zu fördern und den Zugang zu ihnen zu aktivieren um aus ihnen, wie aus einer Quelle, neue Lebenskraft schöpfen zu können.

Konflikte und Krisen können sich in dem Zusammenhang als Hinweis  auf Entwicklungsmöglichkeiten, Wachstum und Quellen versteckter Potenziale erweisen. Bei gleichzeitigem Ernstnehmen des Leidens und der unterschiedlichen Auswirkungen, die eine Krise für den Einzelnen mit sich bringen kann, hat sich dieser Ansatz schon häufig als hilfreich bei der Bewältigung von Krisen verschiedenster Art erwiesen.

Ob es sich nun um akute oder grundlegende Lebensfragen oder um das generelle Bedürfnis nach Entfaltung und Wachstum handelt, in der Psychosynthese werden seelischen Prozesse in all ihren Erscheinungsformen  auf Erfahrungs- und Erlebnisebene aufgegriffen. Treten bei dieser Art der Bewusstmachung  Erkenntnisse auf, welche für den seelischen Prozess entwicklungsweisend  sind, werden auch diese emotional und körperlich  wahrgenommen und erlebt.  Erfahrungs- und erlebnisbasierte Erkenntnisse verankern sich viel besser im Bewusstsein als z.B. rein mentale Einsichten. Ihre lebensbejahende Bedeutung wird viel umfassender wahrgenommen und kann so in den Alltag besser integriert werden.